Impressionen:

Rückblicke auf 2020 gibt es nicht, dieses Jahr bleibt auch künftig unerwähnt

Rückblicke auf 2019: 

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Video- Mitschnitt Gala-Konzert vom 6.6.2019 Staatsoper Ulan Bator:

 

https://youtu.be/9aQhHE-CMpI

 

 

 

 

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Video- Mitschnitt Stabat mater vom Konzert am 12.4.2019, St. Ludwig, Berlin:

 

https://www.youtube.com/watch?v=8lYfcCDtHQY&t

 

 

 

 

 

 

Rückblicke 2018

 

Unzusammenhängende Gedanken
zur Urau
fführung von Erwin Schulhoffs Kantate op. 82 Das Kommunistische Manifest
in der Bearbeitung von Thomas Hennig am 28.10.2018

Ein Gespenst. Aus einem Gespenst, das einst in Europa umging, wurden heute minimal zwei. Das eine ließe sich künstliche Intelligenz, das andere künstliche Dummheit nennen. Ersterer Name steht für den um sich greifenden Digital- Totalitarismus und die mit ihm einhergehende Neudefinition des Humanums, letzterer für den allerorts grassierenden Populismus, Nationalismus und Neofaschismus. Während derzeit eventuell noch schwer auszumachen ist, welches Gespenst den Kontinent nachhaltiger prägt, hebt Thomas Hennig in der Einführung zu seiner Bearbeitung von Schulhoffs Opus 82 kurz auf letzteren ab. Mit Blick auf das Chemnitzer Geschehen, das ihn bei den letzten Korrekturen seiner Bearbeitung erreichte, bemüht er das Bild vom uns umwehenden Mantel der Geschichte. Das ist natürlich ein Wort wie zur Aktualität, so zur guten alten Relevanz der Aufführung dieses Stückes im deutschen Herbst von 2018. Und man reibt sich beim Lesen des Programmhe-es darob die Augen, dass Schulhoffs nonkonformistische, agitatorische, lyrischeKantate in Bachscher Traditiontatsächlich hierzulande bislang erst einmal 2010 in Berlin zu hören gewesen sein soll. (Programmhe- S. 4)

Vier Solostimmen, Männer- und Kinderchor sowie großes Blasorchester“ (ebd.) sah das Original von Schulhoffs Partitur vor, auch wenn von einem solchen aufgrund der historischen Wirren während der Entstehungszeit Anfang der 30er Jahre des 20. Jhs. kaum die Rede sein kann. Dieses Arrangement steht natürlich für das Pathos ein, das Thomas Hennig dem Stück sehr bewusst nimmt. Und es nähme minimal Wunder, wollte Hennigs Fassung von Schulhoffs Manifest so agitproper daher kommen, wie historische Aufnahmen des Stückes ganz unüberhörbar klingen. Das unterdessen, was agitproper an Schulhoffs vier Solostimmen, Männer- und Kinderchor sowie großem Blasorchester erscheint, mag sich jedem relativieren, der die pathetische Probe aufs Exempel etwa dadurch macht, dass er sich die agitatorisch unverdächtige Aufnahme der Winterreise anhört, die mit Peter Anders und Michael Raucheisen in den Ruinen Berlins von 1945 entstand. Die heutige, für deutsche Lande typische Pathos-Angst ist damals fern. Hennig hat diese nicht, wo er Schulhoff sein Pathos nimmt, sondern weiß eher um heutigen Zeitgeist und gewiss um die Tatsache, dass Pathetisches beinahe unweigerlich ästhetisch affirmativ geriete.

Dem Liebhaber der Musik, die auch in Schulhoffs frühen Kompositionen ihre tiefen Spuren hinterlässt, vermittelt sich die Crux mit dem Pathos aufs Schönste analog bei vergleichendem Hören von The people united will never be defeatedin der Version des Liberation Music Orchestras von 1969 und der, mit zum Großteil denselben Musikern, in dem Arrangement Carla Bleys von 1982 mit dem Album- Titel Ballad of the Fallen“. Wilde, freie, atonale Jazzrhythmen 1969, elegischer, melodiöser Abgesang 1982.

Was am Vormittag des 28.10.2018 im Konzerthaus Berlin als erstes Stück in der Reihe Brückenschläge Ost West ertönt, ist keine Ballade der Gefallenen. Doch dür-e es sich mit dem Pathos, das Hennig dem Schulhoffschen Interpretationsapparat entzieht, vertrakter verhalten. „Ich schreibeheißt es bei Schulhoff um 1932 „heute keine noten mehr wie vorher, keine zeitgenössische musik der internationalen schablone wie einst, keine formalistischen spielereien oder klangtändeleien. Meine musik ist nicht versonnen, sie enthält keine dekadenten lyrismen und hysterischen ausbrüche. Sie ist hart geworden, unerbittlich und kompromisslos!“ (Bek, Josef: Erwin Shulhoff, Hamburg 1994) Schulhoffs 2. Symphonie von 1932 zeigt letztmalig Einflüsse aus dem Jazz. Seinem Opus 82 hat der Komponist gemäß Eigenaussage dann alles ästhetische Pathos zugunsten des politischen genommen – „hart, unerbittlich, kompromisslos ...“ Es ist dieses Pathos, das es für Hennig fast ebenso unerbittlich zu tilgen gilt. Dass er dabei dekadenten Lyrismen und hysterischen Ausbrüchen an keiner Stelle seiner Bearbeitung pathetischen Raum gibt, möchte einer der großen Vorzüge seiner Bearbeitung sein.

Schulhoffs Abrechnung mit zeitgenössischer Musik der internationalen Schablone wählte umfangreiche und zahlreiche Interpretationsmittel.“ Keine Musik mehr für Konzertsäle, aber für große Volksmanifestationen“. Am Vormittag des 28.10.2018 findet die Uraufführung von Hennigs Bearbeitung unter Hinweis auf die unsichere Wetterlage im Konzerthaus und nicht draußen auf den Stufen seiner Freitreppe statt. Für die Aufführung auf der Straße schrieb Schulhoff, schuf er die Orchesterpartitur ausschließlich für Blasinstrumente in der Besetzung von Militärkapellen.“ Solistisches Quartett, zwei gemischte Chöre und ein Knabenchor bilden Schulhoffs Interpretationsapparat“, in dem er mit dreifacher Besetzung der einzelnen Instrumente und mit ihrer Teilung in drei selbständige Gruppen sowie mit zwei Hilfsdirigenten neben dem Hauptdirigenten rechnet, die sich gegenseitig durch Spiegel verständigen.“ Hennig bricht auch diesem eher gigantomanischen Interpretationsaparat seine pathetische Spitze, diskutiert anders als Schulhoff gewiss mit seinen Freunden nicht über die heuer obsolete Frage ob und wie man

den Klassenkampf musikalisch ausdrückenkönne. Er entscheidet sich vielmehr dafür, das tonale Tragwerk der Schulhoffschen Komposition freizulegen, der Bauart eines jeden Taktes transparent gerecht zu werden, ohne dass Emotionales dabei den Kürzeren zöge. – Vernun- kommt von Vernehmen, ist gemäß jüdischem Denken also eine Kategorie des Hörens und vernün-ig ist Hennigs analytischer, Klang freilegender Ansatz begründet und als solcher zu vernehmen. Er bringt damit gleichwohl die einst für die Straße und gegen den sich erhebenden Nationalsozialismus geschriebene Musik zurück in den Konzertsaal und zum kulturbeflissenen Bürger zu Zeiten der Chemnitzer Ereignisse. Also doch eine Ballade der Gefallenen?

Schulhoff, so will es das Vorwort zur Partitur des Opus 82, kehrte immer wieder zum Gedanken des musikalischen Ausdrucksmittel für den Klassenkampf zurück. Er sei sich bewusst gewesen, dass er für die neuen Gedanken neue Intonationsquellen, neue stilistische Elemente und Formengesetze suchenmüsse. Dabei habe er auf Klassiker, vor allem Beethoven zurückgegriffen, „studierte gleichzeitig die Marseillaise und die Lieder der großen französischen Revolution, hussitische Lieder und Melodien aus der Zeit der Bauernaufstände in Deutschland, alter Arbeiterlieder und neuer sowjetischer Lieder.“ Schulhoff habe so die gemeinsamen Merkmale dieser Musik geprü-, „um zu erforschen, worin ihre Kra- besteht, die die Volksmassen zu einer festen, einheitlichen Front vereinigen konnte“.
Um die heutige Unmöglichkeit einer festen, einheitlichen Frontweiß Hennigs Bearbeitung der Kommunistischen Manifest-Kantate in Zeiten obwaltender Identitätspolitik, wo sie den Schulhoffschen Interpretationsapparat konsequent abspeckt und mit einem Chor (immerhin insoweit Schulhoff historisch verpflichtet aus drei Chören zusammengestellt) und einem Kammerorchester die Struktur von Schulhoffs Komposition zu tonaler Transparenz und einigem kammermusikalischen Verve führt. Liefe ein dergestalt analytischer Interpretationsapparat aber als solcher damit am Ende Gefahr, Schulhoffs fest historisch wie musikhistorisch grundierten, agitatorischen Ansatz bloß als solchen zu identifizieren?

In Francis Fukuyamas unlängst auf Deutsche erschienenen Essay Gegen Identitätspolitikgeht dieser davon aus, dass das politische Handeln im 20. Jh. „überwiegend von Wirtscha-sfragen bestimmtgewesen sei. (SPIEGEL Nr.42, 13.10.2018, S.118) Die heutige Politik werde hingegen weniger durch wirtscha-liche oder ideologische Belange als vielmehr durch Identitätsfragen bestimmt. Für Fukuyma kehrt sich damit eine lange Tradition um, die mindestens bis zu Karl

Marxzurückreiche, „nach der man politische Kämpfe als Reflexion wirtscha-licher Konfliktebetrachtete (ebd. 120). Wäre es denkbar, dass eine entpathetisierte Interpretation von Schulhoffs Opus 82 just dieser Entwicklung hin zur Identitätspolitik Rechnung träge? Deren populistische Statthalter mobilisieren laut Fukuyama Krä-e, mit denen sich die Gegenwart besser erklären lasse. „Überall auf der Weltmobilisierten politische Führer ihre Anhänger mit der Vorstellung, dass deren Würde verletzt worden sei und wiederhergestellt werden müsse.“ Wut über Erniedrigung sei zu einem wichtigen politischen Faktor geworden und wirtscha-liche Not werde nicht als Entbehrung, sondern als Identitätsverlust empfunden. (ebd.)

Während auch im Libretto von Schulhoffs Kommunistischem Manifest der Arbeiter nicht mehr als seine Ketten zu verlieren habe, ginge es gemäß Fukuyama vielmehr um den Verlust der Identität. Ob das reicht oder nicht vielmehr die Grundlagen heutiger wirtscha-licher und zuvörderst digital motivierter politischer Ideologien verschleiert, ist ein Fragen, in dessen Kontext Hennigs ästhetische Entscheidungen zur Bearbeitung des Manifests eventuell zu sich kommen.

Der letzte Teil der Komposition ist als mächtiger Siegesmarschmit Vereinigt Euch“ überschrieben. Das konsequent Tonaleder bedeutenden harmonischen Beweglichkeitist es mit rhythmischer Einfachheitum ein beim ersten Anhören verständliches Werkzu tun, das vor allem totale Wirksamkeitanstrebt. Hennigs Bearbeitung weiß um die nicht nur identitär begründete Unmöglichkeit der Vereinigung. Sie nimmt dem Stück alles Totale, erdet es klanglich und bringt es damit zu qua ästhetischer, anti-totaler Wirkung. Mithin sorgt nicht bloße historische Distanz dafür, dass ihre Musik vernommen wird und nicht einnimmt. Rezepte von einer dergestalt ästhetisch begründeten Musik zu erwarten, wäre folglich so unfair wie inadäquat. In ihr die bloße Ballade vom Gefallen-sein oder gar vom bloßem Gefallen an ergrauter Ideologie zu erkennen, griffe deutlich zu kurz. Vielmehr scheint ihr Gestus der Pathos-Verweigerung einzustehen für eine Ratlosigkeit, die sich nicht auf die Straße trauen kann (politische Demonstrationen unserer Tage – „Ungeteilt gegen Rechts“ – können womöglich davon künden). Es will scheinen, als vermöge sie den offenbaren Bedrohungen durch künstliche Intelligenz wie Dummheit allenfalls ästhetischen Purismus und entideologisierte musikalische Konsequenz entgegenzusetzen. Ihr könnte damit freilich eine Gelenkfunktion zukommen, für Formen des Protestes, die wir gegen den obwaltenden Digital-Totalitarismus wie Identitätswahnwitz erst finden müssen und die in einer pathosfreien Interpretation eines in seiner Zeit mit gutem Grund politisch-pathetischen Frühwerks der ästhetischen Moderne eventuell hoffnungsfroh aufleuchten.

Nachsatz, klamm:

Den in diesen Zeilen fast strapazierten Begriff des Pathos erhellt der Blick ins Wörterbuch: das Leiden, die leidenscha-liche Erregung, die Ergriffenheit, die Leidenscha- - als Antonym betrachtet Hoffmeisters Wörterbuch der philosophischen Begriffedie Distanz. Wo Leiden Leben ist, wäre Entpathetisierung Abtötung. Dass durch diese Gleichung ein ästhetischer Bruch geht, lässt sich kaum anders denken. Und doch dräut der Kunst unserer Tage die klamme Frage, was es mit ihrer Pathos-Angst auf sich habe. Wieso, siehe Winterreise von 1945, badet Musik am Ende des 2. Weltkrieges im Pathos, wann entstand die Angst davor und warum ist diese bis heute so ausgeprägt? Auch das ist ein Gespenst, das aber eher in Deutschland als in Europa umgehen dür-e und das überall da sein Wesen vermehrt treibt, wo Vereinigung sowie Solidarität von Identität und Individualismus zersetzt wird. Eine musikalische Ästhetik der Vernun- und des Vernehmens weiß darum. Dunkel der Rest.

Burkhard Talebitari

Alle nicht anders gekennzeichneten Zitate entstammen dem Vorwort zu Erwin Schulhoff “Das Kommunistische Manifest”, Klavierauszug, 1961 Panton Praha 

 

 

 

Konzert Leuven: “Ein deutsches Requiem” von Johannes Brahms 

 

am Sonntag dem 13. Mai sind Sie um 20.00 Uhr in der Kirche Sint-Pieter in Leuven zu einem einzigartigen und kostenlosen Konzert eingeladen.

Auf dem Programm steht “Ein deutsches Requiem” von Johannes Brahms in einer wahrhaft deutsch-belgischen Musikerkonstellation.

Die Chorpartie wird außer von drei Leuvener Chören (Musa Horti, Camerata Aetas Nova und Ensemble Viermaliks) auch vom Berliner Chor Concentus Neukölln ausgeführt.
Als Orchester tritt die Neue Preußische Philharmonie aus Berlin auf und als Solisten werden die Sopranistin Annick Desair aus Leuven sowie der deutsche Bassbariton Ralf Lukas (Bayreuth) programmiert.
Die musikalische Leitung des Projekts liegt bei Thomas Hennig, Dozent an der Universität der Künste Berlin und als Dirigent mit der Neuen Preußischen Philharmonie sowie mit Concentus Neukölln verbunden.
Insgesamt werden nicht weniger als 140 Musikerinnen und Musiker aus Deutschland und Belgien aktiv an der Ausführung beteiligt sein.

Der Eintritt ist kostenlos (die Stadt Leuven lädt ein), aber Plätze müssen reserviert werden. Dazu melden Sie sich am einfachsten per E-Mail bei Frau Annick Robeets ( Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! ) an mit Angabe der Zahl und der Namen der zu reservierenden Plätze..

Wir hoffen Sie bei diesem Konzert begrüßen zu können!

Kurt Feyaerts
Musa Horti

 

Neue Mitschnitte:

Reformations-Sinfonie op. 107, Felix Mendelssohn Bartholdy

Brandenburgisches Staatsorchester Frankfurt am 1.November 20:00 in der Philharmonie Berlin

Andante-Allegro con fuoco

Allegro vivace

Andante

Choral „Ein feste Burg ist unser Gott“ Andante con moto-Allegro vivace-Allegro maestoso

 

Klavierkonzert A-Dur KV 488, Wolfgang Amadeus Mozart

Neue Preußische Philharmonie- Haruka Kuroiwa, Konzert im Kammermusiksaal der Philharmonie am 8.3.2017

https://www.youtube.com/watch?v=hToXUihd3gQ

 

Das Lied von der Erde (Schönberg/ Riehn), Gustav Mahler

https://www.youtube.com/watch?v=L52sZE9Ye_4&t=1215s 

 

Ode an die Nacht, Radialsystem 24, Harald Weiss, Februar 2017/ Chor@Berlin:

https://www.youtube.com/watch?v=kh6Tqygc8iQ

 

 

 

 

 

 

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